KI trifft L&D: Wie Künstliche Intelligenz die Zukunft des Lernens gestaltet

Ein Interview mit dem Lernexperten Dr. Thomas Tillmann, lernhacks

Ein Umbruch klopft an die Tür: Künstliche Intelligenz (KI) ist dabei, die Welt zu verändern. Seit ChatGPT erleben wir eine völlig neue KI-Generation, die in nahezu jeder Branche Anwendungsszenarien findet und dabei viele Chancen, aber auch Herausforderungen birgt. Auch für L&D Abteilungen ist KI ein mächtiges Tool - doch wird der Einsatz von KI-basierter Technologie wie ChatGPT auch L&D nachhaltig beeinflussen? Um das herauszufinden, haben wir gemeinsam mit dem Lernexperten Dr. Thomas Tillmann von lernhacks einen Blick in die Zukunft gewagt. 

Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Rolle von Lernen und Entwicklung (L&D) in den nächsten fünf Jahren entwickeln? Welche Veränderungen werden Ihrer Meinung nach stattfinden?

Die Herausforderungen an L&D sind ja immens, vor allem die Notwendigkeit, einen erheblichen Teil der Mitarbeiterschaft für eine gänzlich neue Rolle zu qualifizieren. Genauso immens wird die Veränderung sein müssen, wie L&D arbeitet, denn mit den bisherigen Konzepten und Instrumenten wird diese Herausforderung nicht zu bewältigen sein. Einige Änderungen sind dabei schon greifbar.

Können Sie erläutern, welche Änderungen Ihrer Meinung nach schon greifbar sind? 

Das ist einmal die Gestaltung einer umfassenden Kultur des Lernens in Unternehmen. Das heißt: Die Fülle von Rahmenbedingungen in den Blick zu nehmen und zu steuern, die das Lernen de facto prägen. Das sind erheblich mehr Einflussfaktoren als ein gutes Lernportfolio und fancy Lern-IT. Zum Beispiel wissen die meisten Mitarbeitenden gar nicht, was die für sie wichtigsten Lernprioritäten sind. Ein erheblicher Teil traut sich auch gar nicht zu, sich substantiell weiterzuentwickeln. Darüber hinaus finden Mitarbeitende kaum Zeit für Lernaktivitäten und es gelingt ihnen selten, Gelerntes wirksam in den Alltag zu übertragen. Hier werden riesige Felder deutlich, die in der Vergangenheit oft nicht wirklich systematisch angegangen wurden. Des Weiteren ist hier auch die Neugestaltung von Arbeit unter der Perspektive des Lernens, im Englischen „learning-rich work“ zu nennen - also Arbeit so zu gestalten, dass sie mit zielgerichtetem Lernen einhergeht. Und vielleicht am wichtigsten: Die Nutzung des Potentials von Künstlicher Intelligenz für L&D.

Bevor wir auf das Potenzial von KI für L&D zu sprechen kommen, vorab die Frage: Wie schätzen Sie die Auswirkungen von Technologien wie künstliche Intelligenz auf L&D ein? Und wie kann KI in Lernmethoden integriert werden?
 
Das eine ist die Frage, wie KI die Lernmethoden ändern wird. Vorgelagert ist aber wohl die Frage: Was müssen Menschen überhaupt lernen, wenn Maschinen ohnehin schneller, nachhaltiger, kurz gesagt - besser lernen als Menschen? Das ist keine triviale Frage. Wenn z.B. ChatGPT im Handumdrehen jetzt schon kleine Anwendungen programmieren kann, dann wird auf einmal deutlich, dass selbst Coding nicht mehr per se eine Zukunftskompetenz ist. Ich halte diese Frage, wie sich Lernprioritäten durch KI im Unternehmen ändern müssen, für ganz elementar und sehr herausfordernd. Wir sind in einer Phase, in der es hierzu kaum noch Gewissheiten geben kann. Und trotzdem müssen wir die Lernstrategien und -portfolios entsprechend gestalten.

KI wird also unsere Lernprioritäten verschieben - wie, ist noch unklar. Schauen wir mal auf die Art und Weise des Lernens - kann KI hier etwas Gutes bewirken? 

Es gibt ja seit Mitte der 1980er Jahren, u.a. von Benjamin Bloom, Forschung, die belegt, dass ungeheuerlich das Potential von individuellem Tutoring für das Lernen ist. Es gab bislang aber kein skalierbares Modell, um individuelles Tutoring in der Breite der Mitarbeiterschaft wirtschaftlich sinnvoll darzustellen. Das Potential von KI ist nicht zuletzt, hierfür erstmals eine Möglichkeit zu eröffnen, also jedem eine Art persönlichen Lernassistenten zur Seite zu stellen.

Ein persönlicher Lernassistent, der unsere individuellen Lernbedürfnisse berücksichtigt - das klingt vielversprechend. Spielt hierbei auch ChatGPT eine Rolle, oder wo sehen Sie die Chancen von KI bei der Erstellung von E-Learning? 
 
Kurzfristig kann uns KI –  und darunter auch ChatGPT – helfen, Themen zu strukturieren, E-Learnings zu gliedern und ggf. sogar einzelne Inhalte komplett auszuarbeiten. Ich halte das aber nur für eine Zwischenphase: Die eigentliche Chance der KI liegt ja in ihrem Potential zur Individualisierung des Lernens. Diese Chance sollten wir ergreifen, und nicht die Technik dafür nutzen, um effizientere „one size fits all“-Lösungen zu entwickeln. Das scheint mir zu kurz gegriffen.

Zum Abschluss noch die spannende Frage: Welche Perspektiven sehen Sie für KI-Lösungen in Bezug auf Lerntechnologien? 
 
Die interessanteste Perspektive ist es, jedem Mitarbeitenden einen persönlichen Lernassistenten zur Verfügung zu stellen, also Systeme, mit denen ich in einer Art kontinuierlichem Dialog bin und die mir sinnvolle Lernimpulse und Lernroutinen kontextabhängig vorschlagen. Solche Systeme könnten dabei potentiell auch Coaching-Elemente mit umfassen. Noch steht hier kein fertiges System zur Verfügung. Aber das ist ganz sicher die Richtung, in die es gehen wird.

Möchten Sie mehr zum Einsatz von KI in der L&D-Organisation anhand praxisnaher Beispiele erfahren? Dann schauen Sie rein in unseren Blog: “So steigern Sie die Wirkung von L&D durch den Einsatz von KI und verwandten Technologien!”.

Die umfassendste Lernplattform

Mit der umfangreichen Lernplattform von Studytube können Unternehmen ihr Lernangebot an einem zentralen Ort bündeln, optimieren und verwalten. Sie wollen mehr Wissen? Unsere Experten beraten Sie gerne!

Entdecken Sie, wie Studytube Ihre Organisation auf die Zukunft vorbereiten kann.